Amberger Zeitung – 10.04.2023 

von Marielouise Scharf

Mit der Johannespassion haben der Amberger Oratorienchor und das Sinofonieorchester am Karfreitag ein bewegendes Monumentalwerk der Musikgeschichte aufgeführt. Das Publikum ist sehr angetan von der vielseitigen Komposition.

Über fünf Stunden hat die Uraufführung der Johannespassion am 7. April 1724 in der Leipziger Nikolaikirche gedauert. Nach der Überlieferung waren die Kirchgänger nach dem Karfreitagsgottesdienst eher erschöpft statt ergriffen. Den Kirchenraum hat die mehrmals umgearbeitete Passion heute meist verlassen. Aber immer noch hält sie Konzertbesuchern einen Spiegel voller Reflexionen über Verantwortung, Liebe, Leben und Tod vor.

Das Leiden Christi als Thema

Auf den Tag genau, nur fast 300 Jahre später, luden der Amberger Oratorienchor und das Amberger Sinfonieorchester unter der Leitung von Thomas Appel ins Amberger Congress Centrum ein zu eben dieser großen Komposition, die das Leiden Christi zum Thema hat. Ergänzt mit fünf hochmotivierten Solisten berichteten sie kraftvoll und dramatisch von der Gefangennahme, der Verurteilung, Geißelung und Kreuzigung Jesu.

Dem Text des Evangelisten gegenübergestellt sind in Arien und Ariosi die persönlichen Reaktionen des einzelnen Individuums auf die Begebenheiten. Neben dem erzählenden Evangelisten – Tenor Victor Schiering gelang es ausgezeichnet, die Dramatik und die Spannung des Geschehens stimmlich nuancenreich zu dokumentieren – kommt dem Chor eine wichtige Rolle zu. Er greift einerseits aktiv in das Geschehen ein, geifert und grölt „Weg, weg mit dem, kreuzige ihn!“

Und andererseits reflektiert er das Geschehen als gläubige, fromme Gemeinde in den breit angelegten Chorälen. Die beinahe schüchterne Frage nach dem „Wohin“ im Zusammenspiel mit der ausdrucksstarken Bassstimme von Wiard Witholt wird zu einem der funkelnden Höhepunkte. Nach Golgatha, zum Kreuzeshügel, lautet die brutale Antwort, die fein ausmodelliert durch den gut besuchten großen ACC-Saal schwingt.

Verwoben sind die Stimmen in balancierter, besinnlicher Zurücknahme und somit bestens korrespondierend zu den Chören und Chorälen, die mit warmen Ansätzen, den frommen Dreiklang aus Glaube, Liebe und Hoffnung artikulieren. Thomas Dobmeier überzeugt mit seiner großen Erfahrung und seinem künstlerischen Können in der Rolle des Gekreuzigten. Weich, souverän und flüssig klinken sich der helle Sopran von Santa Karnite und die sanfte Altstimme von Katharina Heiligtag mit einfühlsamen Arien ein. Einmal mit melodiösem Cellospiel einmal mit melancholischer Flöten- und Bläserbegleitung unterlegt.

Präzise und mit feinem Gespür

Überhaupt begleitete das Orchester (Konzertmeisterin: Valerie Rubin) die Arien und Chöre mit feinem Gespür. Lautmalerisch, expressiv, dicht, manchmal geradezu atemlos und dann wieder andächtig still setzten die Musiker die vielseitige Komposition um. Sehr präzise gestaltete die Continuo-Gruppe mit Wolfgang Kober (Violoncello) und Ludwig Schmitt (Orgelpositiv) ihre Einsätze.

Und alle Fäden laufen bei Thomas Appel zusammen. Er lenkt den beachtlich großen Chor, die Musiker, die Solisten – sie alle hören auf sein Kommando. Dabei sind es nicht die großen Gesten, es sind die feinen Fingerzeige, und es ist sein großes Herz, womit er sich der Musik und den Akteuren verschrieben hat. Mit welchen Worten er sich bei den Solisten und den Mitwirkenden am Ende des gelungenen Konzertabends bedankte, ist nicht bekannt. Aber die Freude und die innere Bewegtheit sind in allen Gesichtern abzulesen. Auch das Publikum ist berührt und dankt mit langem Applaus.