Gottfried Homilius zählte zum engsten und begabtesten Schülerkreis von Johann Sebastian Bach und gilt heute als bedeutendster deutschsprachiger Komponist geistlicher Musik. Unter der Gesamtleitung von Thomas Appel (Bild) führen den Amberger Oratorienchor, begleitet vom Amberger Symphonieorchester, am Karfreitag im ACC die Johannespassion auf. Bild: sle

Amberger Zeitung – 31.03.2017

Heute trauen sich wenige Orchester die unbekannteren Komponisten aufzuführen, denn es ist ja auch ein wirtschaftliches Risiko. Der Amberger Oratorienchor geht dieses Wagnis ein und führt am Karfreitag die Johannespassion von Gottfried August Homilius auf.

Es dürfte ein besonderes Konzert werden, handelt es sich bei dieser Johannespassion um die Erstaufführung eines außergewöhnlichen Werkes, welches erst vor wenigen Jahren wiederentdeckt wurde. Am Karfreitag, 14. April (19 Uhr), führt der Amberger Oratorienchor dieses Werk im Amberger ACC auf. Wie es zu dieser Aufführung kam, erzählt Chorleiter Thomas Appel im Interview mit der Kulturredaktion.

Herr Appel, wie sind Sie eigentlich zur Musik gekommen?

Thomas Appel: Ich kam sehr früh zur Musik. In meiner Familie haben alle aktiv musiziert und mit 4 Jahren bestand ich bereits darauf, Klavierunterricht zu erhalten. Das hing bestimmt auch damit zusammenhing, dass meine beiden älteren Geschwister Musik gemacht haben. (lacht) So war ich von klein auf mit Musik in Kontakt und bin es auch geblieben.

Wie wurden Sie Chorleiter des traditionsreichen Amberger Oratorienchors?

Zum Amberger Oratorienchor kam ich 1995. Mein Vorgänger hatte aufgehört, und der Oratorienchor suchte einen neuen Leiter. Ich wurde gefragt und ich habe ja gesagt! Zu dem Zeitpunkt war es noch unklar, was aus dieser Stelle werden würde und wie lange ich bleiben sollte. Es sind mittlerweile 22 Jahre, und ich bin noch immer sehr gerne dabei.

Am Karfreitag führen Sie die Johannespassion in Amberg zum ersten Mal auf. Wie kam es zur Entdeckung der Rarität?

Wenn ich ein neues Werk suche, recherchiere ich, gehe in Bibliotheken, rede mit Kollegen. Nachdem der Chor bereits viele Jahre besteht, wird es immer schwieriger, und es dauert immer länger etwas Neues zu finden. Daher bin ich dieses Jahr sehr glücklich mit der Johannespassion dem Publikum etwas besonderes bieten zu können.

Was ist das besondere an der Johannespassion?

Die Johannespassion ist ein unglaublich reizvolles Werk. Es ist im Prinzip ein modernes Musiktheater und eine Mischung aus allem. Es ist kurzweilig, spannend, dramatisch, langsam und schnell, nachdenklich und versöhnlich, ängstlich und stürmisch. Es ist einfach alles drin und das kompakt in Musik gegossen. So, dass der Zuhörer – und ich ertappe mich auch selbst dabei – die Zeit ganz vergisst, weil die Materie so spannend ist. Das glaubt man immer gar nicht, denn man denkt, dass man die Passion doch jedes Jahr in der Kirche hört und es ein trockener Stoff ist – aber das ist überhaupt nicht der Fall.

Wie ist der Komponist, der von 1714 bis 1785 lebte, diesen Stoff angegangen?

Homilius erzählt die Geschichte spannend und übersetzt sie in ganz unterschiedliche Konstellationen. Dafür hat er das Orchester sehr kontrastreich eingesetzt. Teilweise überrollt es einen, weil es so schnell ist, dann wieder nachdenklich und schon fast transzendent.

Wie ist Homilius einzuschätzen?

Seine Eltern schickten ihn nach Leipzig, um dort Jura zu studieren. Zu der Zeit war Johann Sebastian Bach auch in Leipzig. Anfänglich nahm Homilius heimlich bei Bach Unterricht, da es seine Eltern nicht wollten. Als sich herausstellte, dass er hochbegabt war, machte Bach ihn zu seinem offiziellen Schüler, die Eltern stimmten der Ausbildung zu. Nach der Studienzeit ging er nach Dresden und wurde Organist einer der drei Hauptkirchen (Kreuzkirche, Frauenkirche, Hofkirche): Bis zu seinem Tode blieb er dort Musikdirektor.

Homilius hat eine neue Ära eingeleitet: Er war einerseits der letzte Vertreter, der einen Bibeltext vertonte und andererseits der erste Vertreter der nachfolgenden Generation, welche die Passionsmusik nicht als originalem Bibeltext vertonte, sondern freie Dichter texten ließ. Da diese mehr Empfinden und Ausdruck herstellen konnten. Homilius schließt damit eine Lücke, was die Person hochinteressant macht.

Und seine kompositorischen Verdienste?

Er war einer der wenigen Komponisten, deren Musik schon zu seiner Lebenszeit verlegt wurde. Die meisten Kompositen erfuhren dies erst posthum. Das zeigt auch die Bedeutung, die er hatte. Sein Freund Telemann in Hamburg hat zum Beispiel all seine Kompositionen gleich aufgeführt. Daher ist es schade, dass er heute leider in Vergessenheit geraten ist. Wir hoffen, dass Homilius trotzdem Interesse beim Publikum erregt.

Wie lange hat die Probezeit für die Johannespassion gedauert?

Für ein Werk wie die Johannespassion beträgt die Vorbereitungszeit von der Suche des Werkes bis zum Konzert circa 1,5 bis 2 Jahre. Mit den Proben haben wir kurz vor Weihnachten begonnen und arbeiteten an der Passion insgesamt vier Monate.

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