Amberger Zeitung  –  02.04.2013

Amberger Oratorien-Chor und Amberger Sinfonie-Orchester überzeugen im ACC

Von Marieluise Scharf

Ergreifend bis zum Schluss war die Aufführung der Johannespassion am Karfreitag im ACC. Was Thomas Appel mit seinen Sängerinnen und Sängern, dem Amberger Sinfonie-Orchester und den fünf Solisten auf die Bühne stellte, das hatte nicht nur Hand und Fuß, das berührte Geist und Seele. In seiner Johannespassion von 1724 schildert Johann Sebastian Bach die Dramatik der letzten Tage im Leben Christi. In eindringlichen Arien und Chören lässt er einerseits das Geschehen von damals lebendig werden, andererseits reflektiert er über die Bedeutung dieser Ereignisse für den Einzelnen wie auch die gesamte Christenheit.

Dirigent Thomas Appel, Chor und Orchester haben die Musik von J.S. Bach nicht nur gespielt, sondern gelebt. Nach einigen Minuten der Ergriffenheit überschüttete das Publikum am Schluss die Akteure mit begeistertem Applaus. (Bild: Stephan Huber)

Kolossale Präsenz

Den mit Abstand größten Solo-Part hat der erzählende Evangelist – und Victor Schiering aus Nürnberg gestaltet ihn mit großer Lebendigkeit, Dramatik und emotionaler Intensität. Jedes Wort ist verständlich. Ihm zuzuhören ist eine wahre Wonne. Seine kolossale Präsenz, sein Temperament, sein freier Blick, der nicht ständig in der Partitur hängt, das alles reißt mit. Das ist auch der Grund, dass die zweistündige Aufführung zu einem eindringlichen Konzerterlebnis wird. Er trifft in jedem Fall die richtige Stimmung.

In den Rezitativen ist er grandios. Er schluchzt mit, wenn Petrus den Meister verleugnet („weinete bitterlich“, 12c.). Er malt mit Worten, wenn er mit spitzer Artikulation die „Kriegsknechte“ erwähnt, um dann dem Chor energische Impulse zu liefern („schrieen sie und flammend-sprachen“, 21c.) für sein aggressives „Kreuzige, kreuzige“ (21d).

Stark auch die vier weiteren Solisten: Kraftvoll singt Christoph Dobmeier (Bass) aus München die Rolle des Jesus, gut gezeichnet und mit emotionalem Abstand. Die betrachtenden Sopran-Arien sind bei Saskia Steinfeld, ebenfalls München, in besten Händen. Ein Genuss ist das zerbrechlich-hohe „Zerfließe“ (35.), das sie wundervoll leicht interpretiert. Beide Künstler singen zum ersten Mal mit dem Oratorien-Chor.

Tief gläubig und intensiv

Barbara Hölzl (Alt) und Thomas Dobmeier (Bass) sind keine Unbekannten mehr. Ihr gelingt eine beeindruckend feinsinnige Arie, voller Gefühl und Innigkeit bei: „Es ist vollbracht“ (30.). Und akzentuiert kraftvoll setzt sich der Bass als Pilatus in Szene. Ein Glanzstück sein „Eilt, ihr angefochtenen Seelen“ (24.) wobei der Chor die Frage stellt „Wohin“. Tief gläubig und intensiv ist dieses Zusammenspiel von Solist und Chor.

Der wiederum überzeugte. Vor allem die Choräle mit ihrer harmonisch-meditativen Pracht ergreifen und es läuft einem manchmal kalt runter, so tief interpretiert sind hier Texte und Musik. Sie stehen im starken Kontrast zu den Turba-Chören, bei denen die Sängerinnen und Sänger blindwütend und stimmlich ausgereizt, ins Geschehen eingreifen. Schön und klug interpretiert auch der getragene, teils etwas schwermütige Schlusschor.

Thomas Appel führt die Sing- und Instrumentalstimmen gekonnt zusammen. Mit präzisen Gesten gibt er seine Anweisungen, lotet den saftigen Orchesterklang gut aus, schafft Raum für die eindrucksvollen Solostellen von Holzblasinstrumenten und Viola da Gamba, sensibel und technisch versiert gespielt von Gabi Ruhland.

Musik gelebt

Vielleicht mag technisch nicht alles perfekt gewesen sein. Doch Dirigent, Chor, Solisten und Orchester haben die Musik nicht nur gespielt, sondern gelebt. Sie gehen mit Emotion zur Sache, und das überzeugend. Eine spannende, gelungene Aufführung. Nach einigen Minuten der Ergriffenheit überschüttete das Publikum die Akteure mit begeistertem Applaus.