Amberger Zeitung – 02.04.2020

von Anke Schäfer

Proben und Live-Auftritte sind auch für Dirigent Thomas Appel derzeit tabu. Aber er hat einen Plan B: Am 4. und 10. April sendet OTV die 2017 und 2019 im Amberger Congress Centrum aufgezeichneten Karfreitagskonzerte.

Der Amberger Oratorienchor (hier Lukaspassion) überbrückt die konzertfreie Zeit mit zwei Konzertmitschnitten auf OTV Archivbild: Wolfgang Steinbacher

In der aktuellen Corona-Krise lassen sich viele Musiker etwas Besonderes einfallen. Auch der Amberger Oratorienchor und das Amberger Sinfonieorchester wollen ihr Publikum in der konzertlosen Phase nicht im Stich lassen. Gemeinsam mit OTV hat Dirigent Thomas Appel daher die Ausstrahlung der „Johannespassion“ von Gottfried August Homilius und der „Matthäuspassion“ von Georg Philipp Telemann organisiert . Wie es ansonsten um seine Planungen bestellt ist, erzählt er im Interview:

ONETZ: Herr Appel, eigentlich wäre der Amberger Oratorienchor jetzt mitten in der heißen Probenphase zu Händels „Messias“. Was machen Sie und Ihre Sänger jetzt? Gibt es online-Proben?

Thomas Appel: Wie alle anderen Veranstaltungen/Vereine. hat die gegenwärtige Situation natürlich auch uns überrollt und entsprechend kalt erwischt. Wir haben ebenfalls Mitte März von einem Tag auf den anderen die Probenarbeit in der Gruppe ausgesetzt und hofften damals, dass wir nach einer gewissen Zeit von 2 bis 4 Wochen die Vorbereitung auf das Konzert mithilfe dann zusätzlicher Sonderproben fortsetzen und den Termin halten können. Das hat sich mittlerweile leider erledigt. Online kann man mit einer solch großen Gruppe seriös gar nicht proben, das gäbe nur Chaos.

ONETZ: Zum Konzert am 2. Mai wäre auch der Partner-Chor S. Maria Maggiore aus Desenzano del Garda/Italien angereist. Wissen Sie, wie es den Gesangs-Kollegen dort im Moment geht?

Thomas Appel: Natürlich bin ich mit meinem Kollegen Gigi aus Desenzano im regelmäßigen Kontakt, schon seit letztem Herbst bzgl. des gemeinsamen Konzerts. Wie ja auch die Medien berichten, ist die Lage dort wesentlich dramatischer als bei uns. Und das absolute Kontaktverbot drückt bei den lebensfrohen und geselligen Italienern schon sehr die Stimmung nach unten. Da ist die Psyche deutlich angekratzt. Vermutlich werden viele Menschen lange an diesen schlimmen Erlebnissen arbeiten müssen.

ONETZ: Sie wollen aber trotz geschlossener Säle und Versammlungsverbot die Freude und den Trost der Musik in die heimischen Wohnzimmer bringen. Wie sieht Ihr Plan aus?

Thomas Appel: Das momentane Leben ohne gemeinsames Musizieren, ohne Konzert oder Theater ist keine schöne Situation. Also haben wir uns überlegt, was wir tun können, um wenigsten etwas Musik den konzertinteressierten Menschen nahe zu bringen. Da kam uns die Idee mit OTV. Der regionale Fernsehsender hat nämlich zwei unserer letzten Karfreitagskonzerte komplett mitgeschnitten.
Also haben wir OTV-Geschäftsführer Christoph Rolf kontaktiert. Er war sofort von der Idee begeistert und nun werden am kommenden Samstag, 4. April, die Johannespassion von Gottfried August Homilius (Karfreitagskonzert 2017) und an Karfreitag, 10. April, die Matthäus-Passion von Georg Philipp Telemann, jeweils um 20 Uhr ausgestrahlt. So können wir in dieser veranstaltungslosen Zeit doch ein wenig Konzertatmosphäre vermitteln.

ONETZ: Gibt es für die Messias-Aufführung und die Feier zum 50-jährigen Bestehen des Chores schon eine Alternativplanung?

Thomas Appel: Den eigentlichen Festakt zum 50-jährigen Jubiläum haben wir ja erst am 22. November im ACC. Dafür laufen die Planungen normal weiter, denn wir wollen auch bei unserem Festkonzert unserer Linie treu bleiben und dem Publikum wieder eine Erstaufführung für Amberg präsentieren. Bei diesem Jubiläumskonzert, wo dem Chor auch der Kulturpreis der Stadt Amberg verliehen werden soll, gehen wir in die italienische Romantik und führen die Krönungsmesse von Luigi Cherubini auf, ein wunderbares Werk.

ONETZ: Und der Messias?

Die Messias-Aufführung ist auch nicht gestrichen, sondern nach konstruktiven Gesprächen mit dem Kulturreferat und der ACC-Geschäftsleitung sowie unserem Partnerchor in Desenzano haben wir einen neuen Termin gefunden: Das gemeinsame Partnerschaftskonzert wird nun am 3. Januar 2021 stattfinden. Da feiern wir dann auch gleich noch 15 Jahre Städtepartnerschaft Desenzano-Amberg.
Thomas Appel

ONETZ: Und wie vertreiben Sie sich die Zeit in erzwungener Häuslichkeit?

Thomas Appel: Bei mir hat sich eigentlich grundlegend nicht sehr viel verändert, außer dass die geschäftlichen Außen-Termine nun verstärkt per Telefon, Mail oder Skype stattfinden. Auch den Unterricht halte ich mittlerweile wie viele Kollegen via Skype ab, selbst die Musikhochschulen machen das momentan auf diese Art. Und Homeoffice praktiziere ich bereits seit meinem Studium, ich habe ein sehr schönes Büro daheim, das ordentlich ausgestattet ist.
Gott sei Dank darf man ja für Sport und Fitness noch nach draußen. Natürlich hoffe ich wie alle anderen auch, dass dieser schlimme Ausnahmezustand ein baldiges Ende findet. Darum jetzt konsequent daheim bleiben!

INFO

Zu den Konzerten

Am Samstag, 4. April, um 20 Uhr sendet OTV die 2017 im Amberger Congress Centrum aufgezeichnete Amberger Erstaufführung der „Johannespassion“ von Gottfried August Homilius mit Maria Buchwieser (Sopran), Katharina Heiligtag (Alt), Victor Schiering (Tenor), Heino Buchwieser (Tenor), Thomas Dobmeier (Bass), dem Amberger Oratorienchor und dem Amberger Sinfonieorchester unter Leitung von Thomas Appel.

An Karfreitag, 10. April, um 20 Uhr zeigt OTV den letztjährigen Mitschnitt der „Matthäuspassion“ von Georg Philipp Telemann mit dem Amberger Oratorienchor und dem Amberger Sinfonieorchester. Als Solisten sind Katharina Heiligtag (Mezzosopran), Victor Schiering (Tenor), Philipp Fischer (Tenor) und Thomas Dobmeier (Bass) zu hören. Die musikalische Leitung hat Thomas Appel.