Amberger Zeitung  – 05.01.2016

Die zehnjährige Städtepartnerschaft zwischen Amberg und der italienischen Stadt Desenzano del Garda festlich zu feiern, das gab den Anlass zu zwei großartigen Neujahrskonzerten am Sonntag und Montag im Amberger ACC.

Diese "Neunte" beim Neujahrskonzert in Amberg war ein Höhepunkt, auf den alle Beteiligten, Orchester, Chor, Solisten und Leiter Thomas Appel mit Freude stolz sein können und der den Besuchern noch lange in Erinnerung bleiben wird. Bild: Hartl

von Helmut Fischer

Schirmherr und Ambergs Oberbürgermeister Michael OB Czerny weist in seiner Begrüßung darauf hin, dass Europa nur durch das freundschaftliche Miteinander der Menschen in den Städten zusammenwachsen kann. Die gewachsene Freundschaft zwischen ihren Partnerstädten sei dafür sowohl Beispiel wie auch Verpflichtung. Die Delegation aus Italien hatte den eigenen Domchor „Coro Santa Maria Maddalena di Desenzano“ mitgebracht, ein Ensemble von 25 jungen Sängern, das sich zu Beginn jedes Neujahrskonzertes mit a-capella-Motetten eindrucksvoll vorstellte.

Homogenes Ensemble

Völlig ungewöhnlich sind die Männer(14 Sänger) den Frauenstimmen (11 Sängerinnen) zahlenmäßig überlegen. Doch Gigi Bertagna hat sie zu einem homogenen Ensemble geschult, das durch leuchtende, klare Soprane, wohlklingende Altistinnen und fundierte Bässe überzeugt. Sie zeigen die Bandbreite der a-capella-Musik auf – von Palestrina über Praetorius, Saint Saens bis zu Maurice Duruflé, dem Vertreter der französischen Spätromantik.

Dessen „Notre Père“ hinterlässt einen starken Eindruck, ebenso wie Saint Saens „Tollite Hostias“, wo die jungen Soprane in den strahlenden Höhen überzeugend jubeln. Interessant auch „Once in Royal David’s City“ von Gauntlett, in dem die Liedstrophen aufbauend von einstimmigen Frauenstimmen bis zum gesamten Chor fesselnd entwickelt werden. Dass auch ein erfahrener Chor die Tücken der Musik Palestrinas hörbar werden lässt, wird manchen hiesigen Kirchenchor trösten. Mit dem auf Deutsch eindrucksvoll dargebotenen „Es ist ein Ros entsprungen“ von Praetorius beendet der „Coro Santa Maria Maddalena “ seine mit großem Beifall bedachte Vorstellung.

Berühmte Symphonie

Dann steht das Hauptwerk dieses Neujahrskonzertes auf dem Programm. Beethovens berühmte Neunte Symphonie ist der Gipfelpunkt der sinfonischen Musik überhaupt. Das Werk von monumentaler Größe verlangt ein großes Orchester, ein Spitzen-Solistenquartett und einen bestens geschulten Chor, der die hohen Ansprüche, die Leidenschaft und Kühnheit Beethovens Komposition wirkungsvoll umsetzen kann.

Es gehört Mut dazu, dieses gewaltige Werk mit den „vor Ort“ verfügbaren Gegebenheiten zur Aufführung zu bringen. Schließlich sind die Chorsänger keine ausgebildeten Gesangsprofis, sondern hochmotivierte, stimmlich geschulte Amateure, die sich mit Hingabe diesem Werk „verschrieben“ haben. Auch beim Orchester muss Thomas Appel wohl budgetbedingt – zum Beispiel bei der Zahl der Geigen – Abstriche machen. Trotzdem, oder gerade deshalb: Diese Aufführung verdient höchste Anerkennung, uneingeschränkte Bewunderung dafür, diese gigantische Symphonie mit dem Amberger Sinfonieorchester, der Chorgemeinschaft „Amberger Oratorienchor“ und dem „Coro Santa Maria Maddalena“zu präsentieren. Appel versteht es, die elementare Gewalt, den dämonischen Trotz des ersten Satzes, der kaum Momente der Ruhe bringt, in leidenschaftlicher Weise, fast brutaler Kraft klingen zu lassen.

Dämonische Lustigkeit

Ebenso gerät der 2. Satz, eigentlich ein Scherzo in „Molto Vivace“, in dem die Geigen anfangs in differenzierter Spritzigkeit glänzen können, der sich zu einer fast dämonischen Lustigkeit entwickelt mit wenigen harten Schlägen jäh abbricht, unter seiner Leitung zu einer fesselnden Gestaltung. Der 3. Satz, ein „Adagio cantabile“, atmet Würde, Ruhe und Frieden. Da entwickeln die Streicher eine mystische Intensität, präsentieren die Flöten eine wunderschöne Melodie. Die entspannte Stimmung kommt berührend zum Klingen.

Unglaubliche Steigerung

Dann der berühmte Schlusssatz. Hier gelingt durch Solisten-Quartett und Chor die unglaubliche Steigerung des humanitären Grundgedankens der Symphonie. Allerdings kann das Quartett nicht völlig überzeugen. Nadia Engheben (Sopran), Theodora Baka (Mezzosopran), Christos Kechris (Tenor) und Luke Milugja (Bariton) sind exzellente, stimmkräftige, souveräne Sänger, zu einem homogenen Quartett können sie jedoch nicht zusammenfinden. Der hymnische Einstieg des Baritons „O Freunde, nicht diese Töne“ erklingt eher wie ein drehender Marschbefehl denn eine freudvolle Ermunterung, und die Solo-Quartettstelle „Freude trinken alle Wesen“ kommt einer gesungenen Kriegserklärung näher als freudigem Jubel.

Überzeugen kann Christos Kechris bei seiner Arie „Froh, wie seine Sonnen fliegen“. Doch dieser Schlusssatz lebt ohnehin von der orchestralen und chorischen Leistung. Auch hier zeigt das Orchester bei dem nach einem wilden Fortissimo-Ausbruch zu Beginn mit dem so überzeugend aus Celli und Bässen sich entwickelnden, durch alle Stimmgruppen gesteigerten bis zum mit den Blechbläsern erzielten gewaltigen „Freude-Thema“ eine begeisternde Präsenz. Sie erreicht mit dem chorischen Einstieg zu „Freude, schöner Götterfunken“ und dem hymnischen Abschluss „Und der Cherub steht vor Gott“ eine unbeschreibliche Faszination.

Stimmliche Kraft

Der große, über 100-stimmige Gemeinschaftschor glänzt hier mit stimmlicher Kraft ebenso wie mit gestalterischer Eindringlichkeit. Bewundernswert die Kondition, mit der die höchsten Soprantöne bei „der ganzen Welt“ ermüdungsfrei durchgestanden werden, toll die andächtige Passage „Ahnest du den Schöpfer, Welt“. Es ist eine atemberaubende, Musik, die hier die Zuhörer fesselt und die mit dem grandiosen „Seid umschlungen, Millionen“, ihren fulminanten Höhepunkt hat. Atemlose Spannung nach dem letzten Ton geht übergangslos in frenetischen Jubel, begeisterte Ovationen, über.