Amberger Zeitung – 25.03.2008

Marielouise Scharf

Das monumentale und ergreifende „Stabat Mater“ des tschechischen Komponisten im Amberger Congress Centrum

Amberg. Zwischen Aufschrei und tiefster Traurigkeit bewegt sich Antonin Dvoraks 1880 in Prag uraufgeführte geistliche Kantate „Stabat Mater“. Mit dieser Schmerzensmusik formulierte Dvorak eine sehr persönliche, aber auch äußerlich-theatralische Auseinandersetzung mit seinem Gott und dem Tod. Dabei verarbeitete er in eindrucksvoller Weise traumatische Schicksalsschläge: Zunächst musste er den Tod seines Töchterchens Josefa verkraften, dann starben innerhalb weniger Monate zwei weitere seiner Kinder. Das „Stabat Mater“ ist nach Selbstaussagen die unmittelbare Reaktion auf diesen dreifachen Tod: Der böhmische Spielmann sah sich gleichsam selbst als jene Gottesmutter, die um ihr Kind weint.

Großes Ensemble

Am Karfreitag erfuhr dieses monumentale und ergreifende Werk im Amberger Congress Centrum eine denkwürdige Aufführung. Thomas Appel vereinigte den Amberger Oratorienchor mit Gesangssolisten und dem Amberger Sinfonieorchester zu einem Großensemble, das durch Ausdruck, Strahlkraft und Homogenität überzeugte. Sensibel, mit Fingerspitzengefühl und mutiger Dramatik ging der künstlerische Leiter mit Dvoraks plakativen spätromantischen Klangfarben um. Leidenschaftlich trieb er Chor und Orchester in die qualvollen Wiederholungen des ersten Satzes „Stabat Mater dolorosa“, der in seiner sinfonischen Weite den Bogen zur Ekstase des Schlusssatzes spannt.

Ein hoher Anspruch, dem der Chor gerecht werden muss. Der präsentierte sich gut disponiert, homogen in den Stimmgruppen und gestaltungsfreudig beim Aufbau der dynamischen Architektonik. Im Spannungsfeld zwischen kraftvollen Unisoni und verwobener Melodik, einförmiger Rhythmik und Optimismus ausstrahlenden Passagen überzeugten die Choristen mit Sinn für eine differenzierte Textaussage. Appel lenkte und steuerte die Akteure durch das anspruchsvolle Werk. Mit großem Engagement und sensiblem Gespür umschiffte und durchpflügte er die aufgewühlte See der Gefühle und die gefährlichen Klippen hochdramatischer Todesfurcht. Aufwühlend der Klang, lyrisch die Stimmung, gewaltig der Gesamteindruck.

Aufmerksam reagierend und um feinstrukturierte Tongestaltung bemüht, band sich das Orchester homogen in die Aufführung ein. Mächtig die farbenreiche Orchestrierung, anrührend die Schmerzensgesänge der Streicher und dynamisch die Durchformung der Anlage.

Junges Solistenquartett

Auf ähnlich hohem Niveau agierte das Solistenquartett: Die in Puerto Rico geborene Sopranistin Elaine Ortiz Arandes, die Altistin Barbara Hölzl, der Tenor Klaus Steppberger aus München, und der Bass Thomas Dobmeier. Junge Stimmen, die aufeinander hörten und mit glaubwürdiger Empfindung, ohne übertriebene Sentimentalität sondern ehrlich und anrührend die Texte interpretierten. Mit dieser Präsenz und Perfektion können sie durchaus mit so manchem Staraufgebot mithalten! Alle vier glänzten mit stimmlicher Substanz in den Soli und gut abgestimmten Ensembles.

Zum Höhepunkt der eindrucksvollen Aufführung wurde das finale „Quando corpus morietur“, in dem die Themen des einleitenden „Stabat Mater“ nochmals aufgenommen werden. Die Vokalsolisten ließen erneut Glanzlichter aufleuchten, und in der höchst komplizierten Amen-Fuge setzten sich Chor und Orchester noch mal bestens in Szene.

Natürlichkeit, Schlichtheit und Aufrichtigkeit des Ausdrucks sind die Werte, die hier gefordert sind. Innigkeit und emotionale Klarheit sind die Wegweiser zu einem außergewöhnlichen Konzerterlebnis. Diesen Ansprüchen wurde der Abend gerecht. Verdienter, langer Applaus.