Der Amberger Oratorienchor und das Sinfonieorchester brachten die Lukaspassion von Georg Philipp Telemann bravourös zu Gehör.

Von Christina Röttenbacher   Mittelbayerische Zeitung  – 07.04.2015

Chor und Orchester zeichneten ein dramatisches Klanggemälde. Foto: Röttenbacher

AMBERG.„Darum, von nun an wird des Menschen Sohn sitzen zur rechten Hand er Kraft Gottes.“ Musik von erhabener, schlichter Schönheit erfüllte das Amberger Congress Centrum (ACC) am Karfreitag. Musikalische Gemüter mögen darüber streiten, ob ein Oratorium nicht allein in einer Kirche aufgeführt werden sollte. Doch das ACC gab einen stimmungsvollen Rahmen für ein Passionskonzert, das einfach nur begeisterte und letztlich mit großer Kraft auf die frohe Erwartung der Wiederauferstehung zustrebte.
Der Amberger Oratorienchor und das Amberger Sinfonieorchester haben eine gute Wahl getroffen, sich der ersten der fünf Lukaspassionen von Georg Philipp Telemann aus dem Jahr 1744 zuzuwenden und ihr durchgehend den Duktus der Wiederauferstehung zu verleihen. Im Gegensatz zu den Passionen von Johann Sebastian Bach mit einem pompösen Massenaufgebot an Sängern und Musikern, ist die Lukaspassion ein wahres Kleinod hinsichtlich des galant-empfindsamen Stils. Richtig barock ist eigentlich nur die rezitative Passionserzählung mit den dramatischen Turba-Chören, wohingegen die betrachtenden Arien eher an jüngere Komponisten aus der Romantik erinnern. Im Unterschied zu anderen seiner fünf Passionen verwendet Telemann hier nur drei Choräle zu Beginn, während der Ölbergszene und zum Schluss.

Die Solisten, von links: Victor Schiering (Tenor), Saskia Steinfeld (Sopran), Gustavo Martin Sanchez (Tenor) und Michael Marz (Bass) Foto: Röttenbacher

Die Besetzung der Solistenpartien mit Saskia Steinfeld (Sopran), den Tenören Victor Schiering und Gustavo Martin Sanchez als Evangelisten und Michael Marz (Bass) als Jesus, die kleine Orchesterbesetzung, dafür aber ein umfangreicherer Chor, forderten den Beteiligten hohe Virtuosität ab. Unter der bewährten Leitung von Thomas Appel entstand ein dramatisches Klanggemälde auf höchstem künstlerischen Niveau.

Chor und Orchester zeichneten ein dramatisches Klanggemälde. Foto: Röttenbacher

Der Oratorienchor Amberg überraschte und überzeugte mit seiner sensiblen und doch imponierend lebendigen Darstellung der turbulenten Volksszenen, der aufgeheizten Stimmung beim Prozess gegen Jesus und dem einfühlsamen Hinübergleiten in die gliedernden Arien und Rezitative. Das erforderte sowohl vom Chor als auch vom Sinfonieorchester unbedingten Gehorsam und höchste Aufmerksamkeit auf das Dirigat.

Michael Marz Foto: Röttenbacher

Die ausgezeichneten Solisten gewährten gut disponiert, treffsicher in den Einsätzen und sauber in der Artikulation eine durchsichtige, schwebende Umsetzung des Notentextes. Allen voran Bassist Michael Marz als Jesus, der ein kultiviertes Klangbild und höchste Intensität vermittelte. Wunderbar die erzählenden Arien der Sopranistin Saskia Steinfeld.

Victor Schiering Foto: Röttenbacher

Gewöhnungsbedürftig war der etwas metallisch klingende Tenor von Victor Schierling, der aber im Verlauf immer besser ins Gesamtklangbild passte. Insgesamt traf die Aufführung musikalisch entschlossen den Übergangsstil des Werks von der Anlehnung an die Barockkompositionen eines Johann Sebastian Bach zur Ausdruckskraft des italienischen Barock.

 

Telemanns Lukaspassion

Entstehung
Die Lukaspassion, die der Oratorienchor Amberg erstmals einstudiert hat, stammt aus dem Jahr 1744. Der Verfasser der Texte zu den Arien und Chorälen, die nicht aus dem Lukasevangelium stammen, ist nicht bekannt.

Anlehnung
In der Diktion lehnt sich Telemann stark an die Johannespassion von Johann Sebastian Bach an. Telemanns Lukaspassion steht aber in der musikalischen Ausdruckskraft eher dem italienischen Barock nahe. (hcr)